In England hatte ich die Möglichkeit auf Einladung von Opel das OnStar-System auszuprobieren und mich darüber ausgiebig zu informieren. Neben Autobloggern und den klassischen Medien sollten auch Technikblogger laut Opel nicht fehlen, denn das Auto wird in Zukunft immer weiter vernetzt und mit Elektronik ausgestattet. OnStar ist das Assistenzsystem von General Motors, zu dem auch der deutsche Autohersteller Opel gehört. In den USA und Kanada ist das System bereits seit über zwei Jahrzehnten auf den Markt.
Ist das OnStar-System installiert, wird bei einem Druck auf die SOS- oder Info-Taste der Fahrer automatisch mit einem Mitarbeiter der OnStar-Zentrale verbunden, der in Gefahrensituationen mit fachmännischer Hilfe unterstützt, Polizei oder Rettungsdienst alarmiert oder einfach nur die nächste Route in Euer Navigationssystem programmiert. Was OnStar kann und ob ich diesen Service lohnenswert finde, erfahrt Ihr in diesem Blogbeitrag detailliert von mir beschrieben.
Was ist OnStar eigentlich?
OnStar ist ein Online- und Service-Assistent, der fest im Auto verbaut wird und lässt sich für fast jedes Model von Opel dazubestellen. Sogar der Opel Corsa kann mit OnStar ausgerüstet werden. Über eine SIM-Karte werden Anrufe zur OnStar-Zentrale getätigt. Hier gibt es zwei verschiedene Arten von Anrufen: SOS oder Service. Die Mitarbeiter, die den Anruf entgegen nehmen, helfen entsprechend der Art des Anrufs weiter. Der Service ist zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar.
Erstmal kam ich 2009 mit OnStar in Kontakt als ich einen Pontiac Vibe in Texas in den USA als Mietwagen bekam, der das System an Bord hatte. Gerade in den USA, wo jeder Mann eine Waffe trägt und der Verkehr chaotischer als in Deutschland zugeht, war ich froh den SOS-Knopf am Innen-Rückspiegel zu haben. Wie bereits erwähnt, gibt es OnStar seit 20 Jahren in den USA und Kanada. In China erfreut sich der Dienst ebenfalls großer Beliebtheit.
Jetzt kommt der Service nach Europa mit jeder Menge Zusatzfunktionen wie einen eingebauten WLAN Hotspot, Fahrzeugdiagnose, Assitenz beim Navigationssystem, Anti-Diebstahl- und SOS-Funktion.
Asistenz beim Navigieren
Das Highlight von Opel OnStar ist die Navigationshilfe durch die OnStar-Mitarbeiter. Drückt man den blauen Info-Button des Control-Panels wird man automatisch mit einem OnStar-Mitarbeiter verbunden, der vorzugsweise die eingestellte Betriebssprache beherrscht. So konnten wir bequem auf Deutsch in England mit den Mitarbeitern reden. Diese Programmieren das gewünschte Fahrtziel direkt in das Navigationssystem ein und starten diese. Auf Wunsch können Zwischenziele für die Strecke berücksichtigt werden. Hier ist es auch problemlos möglich Points of Interests heraussuchen zu lassen, wie die nächste Tank- oder Raststätte.
Das lästige Anhalten oder das verbotene Bedienen des Navis während der Fahrt entfällt. Das Einlesen in der Bedienung des Navigationssystems ist damit überflüssig und die Routenführung kann sofort losgehen. Wenn ich daran denke wie oft ich schon geflucht habe, Zwischenziele vernünftig in ein Navi einzugeben, ist mir dieser Service sehr willkommen.
Die OnStar-Mitarbeiter können den Standort des Fahrzeugs und die Navigation nur übernehmen, wenn der „Privacy-Mode“ ausgeschaltet ist. Dieser kann – der Privatsphäre Respekt gebührt – eingeschaltet werden. So können Eltern bspw. den Sohn oder die Tochter nicht kontrollieren.
WLAN Hotspot im Auto
Über die leistungsstarke Haifisch-Antenne kann das OnStar-System nicht nur Anrufe durchjagen, sondern auch Daten über das 4G/LTE-Mobilfunknetz. Bis zu sieben Geräte können über das integrierte WLAN online ins Internet gehen. Die WLAN-Option kostet etwas mehr als das das OnStar-Basis-Paket, denn hierfür hat sich Opel bzw. OnStar viele Mobilfunk-Partner ins Boot geholt, um in vielen Ländern Europas mobiles Internet über das integrierte WLAN anbieten zu können.
In einem Speedtest auf der Strecke von London nach Luton kam die Geschwindigkeit des mobilen Internets auf 1,83 MBit die Sekunde, was für unsere Fahrt problemlos ausreichte um YouTube-Videos flüssig in 480p anzuschauen. Opel bzw. OnStar arbeitet hier mit verschiedenen Mobilfunkanbietern zusammen, um in vielen Staaten Europas eine schnelle mobile Verbindung ohne Roamingkosten zu ermöglichen.
OnStar bietet Anti-Diebstahl-Funktionen
Opel OnStar unterstützt den Eigentümer und die Polizei bei Diebstahl des Wagens, indem der OnStar-Mitarbeiter den aktuellen Standort des gestohlenen Fahrzeugs dank des eingebauten GPS-Empfängers lokalisiert und an die Polizei weitergibt. Um Missbrauch – z.B. durch Streitigkeiten in der Familie – vorzubeugen, muss der Halter sein Auto bei der Polizei als gestohlen melden und das Aktenzeichen an den Opel OnStar-Berater weitergeben, bevor die Maßnahmen zur Sicherstellung durchgeführt werden. Denn im Falle eines Diebstahls kann der „Privacy-Mode“ seitens OnStars umgangen werden. Über die Ortung des Fahrzeugs via GPS hinaus kann Opel OnStar mittels Fernaktivierung der Wegfahrsperre die Motorzündung des Fahrzeugs blockieren. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit das Auto wiederzubekommen erheblich.
Fahrzeugdiagnose und Pannenhilfe
Durch die mobile Datenverbindung können die OnStar-Mitarbeiter die OBDII-Schnittstelle des Autos auslesen, analysieren und bei Bedarf den Fehlerspeicher sogar löschen. Durch den Zugriff auf Ölstand, Reifenluftdruck und vielen weiteren Messwerten, die sonst der TÜV oder KFZ-Mechatroniker über diese Schnittstelle zur Fehlersuche auslesen, können die OnStar-Jungs und Mädels bei Pannen oder Fehlern helfen. Bei unserer kleinen Testfahrt von London nach Luton haben wir unterwegs die Steckverbindung zum Luftmassenmesser abgezogen, um einen Fehler zu provozieren. Hier konnte der OnStar-Mitarbeiter den Fehler via Ferndiagnose auslesen und löschen. Wäre das ein nicht von uns provozierter Fehler gewesen, hätte der Mitarbeiter dank GPS-Ortung uns direkt einen Pannenhilfe-Wagen geschickt. Die Pannenhilfe ist übrigens in der jährlichen Gebühr von Opel OnStar mitenthalten.
Zudem analysiert OnStar automatisch einmal im Monat das Fahrzeug anhand der Ferndiagnose und schickt einen Statusbericht via Mail an den Fahrzeughalter. So weiß der Fahrer, ob er vielleicht bald zum Ölwechsel muss oder die Reifen mal wieder aufgepumpt werden können.Fernsteuerung per Smartphone oder Telefonanruf.
Das Auto via Smartphone steuern
Ein sehr cooles Feature, dass uns demonstriert wurde, war die Fahrzeugsteuerung via der eigenen OnStar-App. Hat man sich bei der App mit seinem PIN angemeldet, ist es möglich sein Auto überall zu lokalisieren. Das wäre besonders hilfreich für mich, wenn ich auf dem Messegelände der Deutschen Messe mal wieder vergessen habe, wo ich mein Auto geparkt habe. Zusätzlich lässt sich dann über die App die Hupe betätigen oder die Scheinwerfer einschalten, um das Fahrzeug noch genauer zu finden. Neue Adressen, die man vielleicht gerade via Google ausfindig gemacht hat, lassen sich über die Smartphone-App direkt ins Navigationssystem laden. Die wichtigsten Fahrzeugdaten lassen sich auch über die OnStar-App auslesen (wie Ölstand oder Reifendruck). Auch der OnStar-Service lässt sich über die App direkt anrufen.
Autounfall? Hilfe auf Knopfdruck oder automatisch
Befindet sich einer der Insassen in einer gesundheitlichen präkeren Lage erhält der Fahrer auf rotem SOS-Knopfdruck Hilfe von speziell geschulten OnStar-Mitarbeitern. Die Mitarbeiter durchlaufen dieselben Schulungen wie die Leitstellen-Koordinatoren, die die Notrufe über 112 oder 110 entgegen nehmen, und können neben Anleitung von Sofortmaßnahmen anhand der GPS-Ortung direkt die Einsatzkräfte losschicken. Die Sensoren der mit OnStar ausgestatteten Fahrzeuge registrieren ebenfalls Unfälle und benachrichtigen die OnStar-Zentrale umgehend beim Erkennen eines Unfalls. Auch wenn niemand auf den Kontaktversuch des OnStar-Mitarbeiters reagiert werden direkt die Einsatzkräfte losgeschickt.
OnStar-Zentrale in Luton, England
Als Opel uns nach England eingeladen hat, bekamen wir die Möglichkeit die OnStar-Zentrale in Luton zu besichtigen. Alle OnStar-Anrufe aus ganz Europa laufen hier zusammen. Die Mitarbeiter sprechen durchschnittlich 7 Sprachen, um Kunden-Anrufe aus ganz Europa beantworten zu können. Wie schon erwähnt wird anhand der eingestellten Betriebssystem-Sprache ein freie Mitarbeiter verbunden, der die Sprache beherrscht. In Ausnahmefällen bei hohem Aufkommen von Kunden-Anrufen kann es aber sein, dass die Mitarbeiter, die die gewünschte Sprache beherrschen, bereits im Gespräch sind. Dann wird man als Fallback-Lösung zu einem englischsprachigen Mitarbeiter verbunden.
Sehr interessant waren auch die Geschichten, die die OnStar-Mitarbeiter mitgebracht haben. So musste einer der OnStar-Mitarbeiter aus Kanada – eingeflogen zum Presse-Event in Luton – bereits seine Kreativität im Notfall unter Beweis stellen. Eine Fahrerin bekam unterwegs eine Asthma-Attacke und konnte sich aus diesem Grund nicht verständigen. Hierbei kam der Mitarbeiter auf die Idee, dass sie einmal hupt für „Ja“ und zweimal hupt für „Nein“ auf seine geschlossenen Fragen.
Die OnStar-Mitarbeiter sind genauso geschult wie Leitstellen-Mitarbeiter der landeseigenen Notrufnummern. Klar wurde bei dem Gespräch mit den Mitarbeitern auch, dass diesen Job nicht jeder machen kann und psychisch belastbar sein muss.
Fazit
In Deutschland ist Opel OnStar am 03. August 2015 gestartet. Das ist allerdings nicht der erste Versuch, OnStar nach Europa zu bringen: Ein Versuch vor über einem Jahrzehnt scheiterte. Die Kunden nahmen den Service, der sich damals nur auf die Info- und SOS-Funktion beschränkte, nicht an. In den USA, Kanada und China wurde OnStar aber in der Zwischenzeit mit 7 Millionen Kunden weltweit zum Renner schlechthin. Jetzt versucht es General Motors erneut in Europa und damit auch Deutschland. Mit vielen Zusatzfunktionen, wie dem Diebstahl-Schutz, der App-Fernsteuerung, Fahrzeugdiagnose und dem WLAN Hotspot, dürften deutsche Kunden OnStar ebenfalls schätzen lernen. Das erste Jahr des OnStar-Services ist kostenlos. Danach geht es jenachdem, ob man den WLAN Hotspot dazubucht, mit 99€ jährlichen Kosten weiter. Die Kosten für die WLAN Hotspot Funktion sind noch nicht bekannt, da Opel bzw. OnStar hier noch mit den Mobilfunkanbietern verhandelt. Im kostenlosem Jahr gibt es auch kein Datenlimit. Das kann sich aber nach Abschluss der Verhandlungen noch ändern.
Ich persönlich denke, dass der Service durchaus lohnenswert ist. Alleine schon die Hilfe beim Navigieren, der Diebstahlschutz und SOS-Hilfe mit inkludiertem Pannen-Schutzbrief, wären mir die 99€ im Jahr wert. Gerade die Zielgruppe der Geschäftsmänner, die viel mit dem Auto unterwegs sind, wird sich der Service lohnen. In einen Opel Corsa, der hauptsächlich nur zum Einkaufen benutzt wird, würde ich OnStar natürlich nicht installieren lassen. Als Vertriebler beispielsweise aber in jedem Fall. Bequemer geht es nicht.
Übrigens die Technikkollegen von Appgefahren waren ebenfalls vor Ort. Den Blogbeitrag von ihnen lest ihr hier.
Disclaimer: Opel hat die Kosten der Flüge von Deutschland nach England für mich übernommen. Das beeinflusst aber nicht meine Meinung über OnStar.