Carsharing: Meine Erfahrung mit tamyca und dem Verleihen meines Autos

Ende Juni habe ich meinen Fiat Punto das erste Mal an jemand komplett Fremden über die Carsharing-Plattform tamyca verliehen. Am ersten Juli bekam ich es aufgetankt und sogar durchgesaugt von meinem ersten Mieter namens Veit zurück. Ungewohnt war es für mich ohne Auto plötzlich ein ganzes Wochenende auszukommen und vor allem: extrem mutig. Das soll kein Eigenlob sein. Meine größte Angst war und ist es immer noch, dass während des Verleihs das Auto einen vielleicht sogar nur wirtschaftlichen Totalschaden erleidet. Dazu muss man sagen: Mein Fiat Punto ist 10 Jahre alt und hat bereits über 200.000 Kilometer gelaufen.

Es besitzt aber alle Komforts, die ich schätze: Kilmaanlage, 5 Sitze, Vorder- und Seitenairbags, große Ladefläche nach dem Umklappen der Rückbank und einen geringen Verbrauch von ca. 6,5 Liter Benzin pro 100 Kilometer. Ebenso waren die Ersatzteile stets günstig im Zubehör zu erhalten. Mein Schwager – ein großes Dankeschön an dieser Stelle an ihn – ist KFZ-Servicetechniker und repariert für mich das Auto. Kostenlos. Aus Gefallen und Freundschaft. Ohne ihn würde ich mir die Unterhaltung bzw. die Reparatur eines Autos nicht leisten können. Eine Versicherung würde bei einem Unfall schnell einen wirtschaftlichen Totalschaden feststellen und nur den Zeitwert wollen. Der Zeitwert dürfte sich auf wahrscheinlich unter 500 Euro belaufen. Einen gleichwertigen Ersatz würde ich dafür nicht bekommen. Ein wirtschaftlicher Totalschaden würde also der meines Autos bedeuten.

Warum gottverdammt verleihe ich dennoch mein Auto?

Aus zwei Gründen: aus Idealismus, dass die Blechlawinen in Deutschland immer stärker zunehmen und nicht jeder Mensch ein eigenes Auto braucht. Wir Menschen brauchen eigentlich nur eine „Mobilitätsgarantie“, die auch gilt, wenn es mitten in der Nacht ist und kein Vermögen kostet, falls jetzt jemand an ein Taxi denken sollte. Der zweite Grund: Auch den Menschen ein Auto bzw. die Freiheit, die ein Auto bedeutet, zu bieten, die bezahlbar ist. Wir Deutschen vergessen gerne einmal, dass nicht jeder Mensch sich ein Auto leisten kann und sind oft sogar entsetzt, wenn jemand ohne Führerschein auskommt oder auskommen muss. Ich gehöre ebenfalls zu den Menschen, die zwar Bahn fahren, aber dennoch oft mit dem Auto fahren, da tatsächlich das Auto oft die Günstigere und bequemere Wahl ist. Ich würde mich freuen, wenn ich ohne Umsteigen in einen ICE der deutschen Bahn einsteigen könnte, um überall in Deutschland ans Ziel zu kommen. Ein bis zwei Umstiege wären auch kein Problem. Aber Bahn fahren ist häufig nicht so bequem und auch teuer.

Fast niemand in meinem Umfeld, sei es Familie oder Freunde, konnten das Verleihen meines Autos nachvollziehen., obwohl ich Carsharing in den Medien immer häufiger wahrnehme. Professionelle Carsharing- gibt es auch bereits. Drive Now (BMW & Sixt), Flinkster (Deutsche Bahn) und Cambio dürften einige schon mal gehört haben. Aus privater Hand gibt es das Carsharing aber allenfalls in der Familie. Anfangs hat das meine Unsicherheit, ob ich mein Auto verleihe, gestärkt. Im Nachhinein, weiß ich aber, dass ich fähig war über den „deutschen“ Horizont zu schauen. Denn oft ist dem Deutschen nichts heiliger als das eigene Auto. Gott sei Dank, ist das Smartphone mittlerweile dabei das Statussymbol Auto zu ersetzen. Ein letztes, aber nicht das stärkste Argument: Meine Werbung für Bitpage als Technikblog auf der Heckscheibe meines Puntos. Jeder Kilometer mehr auf dem Tacho bedeutet, dass umso mehr Menschen meine Werbung gesehen haben.

So funktioniert das Verleihen bei tamyca

Ich weiß gar nicht mehr genau, wie ich auf tamyca aufmerksam geworden bin. Es ist ein Berliner Startup bzw. eine Carsharing-Plattform, auf der jeder sein Auto anbieten kann, Mieter buchen und darüber bezahlen können. Ich schätze es war im Zuge einer Google-Suche nach Carsharing bzw. Shareconomy, was Leitthema der diesjährigen war und ich auch dort mich das erste Mal genauer damit auseinandergesetzt habe. Das Verleihen ist denkbar einfach: Auto fotografieren, und Standort des Autos eingeben, festlegen und auf Anfragen warten. Weil mein Fiat Punto nun nicht mehr das jüngste und jungfräulichste Auto in Bezug auf die gefahrenen Kilometer war, habe ich mich dazu entschieden, einen günstigen Preis für das Auto festzulegen. Für 4 Stunden zahlt ein Mieter 9 Euro, davon bekomme ich abzüglich 15% Vermittlungsprovision für tamyca und dem Vollkasko-Versicherungsschutz des Partners r+v Versicherungen 3,49 Euro. Ein ganzer Tag kostet 15 Euro, wovon ich 4,76 Euro sehe. Eine ganze Woche kostet der Punto 88€ für den Mieter. Hier lohnt es sich für mich am meisten: 31,37 Euro bleiben bei einer Woche für mich übrig. Versteht das nicht falsch, tamyca gibt die nicht vor. Jeder Vermieter kann selbst den Endpreis für den Vermieter festlegen. So gibt es auch Vermieter, die bspw. einen Ford Mustang für ca. 80€ für 4 Stunden anbieten. Allerdings auch realitätsferne Angebote für 40€ für 4 Stunden mit einem Toyota Aygo oder Citroën C1.

tamyca_logo

Wer jetzt denkt: „Reich wirst Du dabei aber nicht.“ liegt goldrichtig. Das Carsharing ist ein netter Nebenverdient, wenn man ohne Probleme auf sein Auto verzichten kann. Wer es als Schmerzensgeld für den Aufwand und das Überleben ohne Auto sieht, wird sich nicht für Carsharing entscheiden. Das kann ich nachvollziehen. Für mich habe ich entschieden, dass ich gerne mein Auto teilen möchte. Mich ärgert es einfach, wenn mein Auto unbenutzt auf der Straße steht, wenn es jemand Anderem helfen könnte günstig seinen nächsten Einkauf im Möbelhaus zu bewerkstelligen. Oder alleine schon der Wocheneinkauf im Supermarkt ist nur mit Auto möglich.

Voraussetzungen für Mieter

Nicht jeder kann ein Auto auf tamyca mieten. Ein Führerschein ist zwingend Voraussetzung, da ein Auto nur an Personen mit Fahrerlaubnis verliehen werden darf. Dies hat der Vermieter bei der Abholung ausdrücklich zu kontrollieren. Ebenso muss der Fahrer über 23 Jahre alt sein und einen ständigen Wohnsitz in Deutschland haben. Aus diesem Grund haben mich einige Personen, die mein Auto auf tamya gesehen haben, via Facebook angeschrieben, ob ich mein Auto nicht trotzdem verleihe. Dann bekomme ich schließlich ja auch mehr Geld. Das stimmt zwar, aber im Falle eines Unfalls würde nur meine normale Haftpflichtversicherung den Schaden des „Unfallsgegners“ regulieren und ob ein Jugendlicher mal eben im schlimmsten Fall ein paar hundert Euro Schaden Reparatur bezahlen kann? Diese Anfragen habe ich immer abgelehnt und zum Schluss auch nicht mehr beantwortet.

Der Vertrag

Für jeden Verleih gibt es einen Mietvertrag. Den Vordruck füllt tamyca automatisch schon anhand der Daten des Autos und Daten des Mieters aus, nachdem dieser via Paypal, Sofortüberweisung oder Kreditkarte bezahlt hat. Nach einer erfolgreichen Vermietung kann der Mieter zukünftig dann auch mit Lastschriftverfahren bezahlen. Auf dem Mietvertrag steht alles drauf, was von Relevanz ist. Personal-Ausweis- und Handynr. des Mieters, zu fahrende Kilometer, Schäden am Auto und vieles mehr wird auch im Überlassungsvertrag geregelt. Der Vermieter trägt nur noch den derzeitigen Kilometerstand ein und Mieter sowie Vermieter bestätigen durch Unterschrift die Abholung und Rückgabe.

Viele kluge Ideen stecken in tamyca

Das junge Startup hat sich auf der Plattform viele Gedanken gemacht. Ein Bewertungssystem schützt vor unangenehmen Vermietern oder Mietern. Eine Hotline hilft bei Problemen und ein KFZ-Schutzbrief ist der ADAC Mitgliedsersatz, der bei längeren Automieten über eine Woche beiliegt. Benachrichtigungen über Buchungsanfragen bekommt der Mieter via App und SMS. Dadurch landet auch keine Buchungsanfrage als E-Mail im Spam-Ordner. Sogar einen Werbeaufkleber fürs Auto gibt es kostenlos zugeschickt. Flyer mit dem eigenen Auto lassen sich auch über tamyca ausdrucken. Der Online-Auftritt ist ebenfalls sehr ansehnlich gestaltet.

 

Die zwischenmenschliche Erfahrung mit Carsharing

Tja, wer und was sind das eigentlich für Leute, die das Auto einer anderen privaten und fremden Person mieten? Ganz normale Menschen wie Du und ich. Mein erster Mieter Veit, brauchte das Auto, um mit seinen Kumpels zum Fusion Festival im Norden Deutschlands zu besuchen. Zurückgebracht hat er es sauberer als vorher. Ein anderer Mieter hat sogar ein defektes Leuchtmittel auf seine ausgewechselt. Die darauffolgende Mieterin war eine berufstätige Frau, die bei Bertelsmann arbeitet und das Auto für drei Stunden brauchte.

Jeder der Mieter gab immer einen Grund an, warum er mein Auto benötigte. Das hat mich erstaunt, denn das muss mir ja niemand sagen. Ich hätte mein Auto auch verliehen, wenn jemand damit einfach mal nur ein bisschen durch die Gegend „cruisen“ wollte oder nichts gesagt hat. Bei mir gab es nie Probleme beim Verleih. Alle waren immer freundlich und froh, dass sie mein Auto nutzen konnten. Es hat wirklich Spaß gemacht.

Um die Sicherheit zu erhöhen, können sich Mieter, Vermieter und Mieter das Auto bewerten. Negative Bewertungen habe ich aber bisher noch bei keinem tamyca-Mitglied gelesen. Ich denke, dass liegt daran, dass diejenigen, die Carsharing betreiben, von Haus aus „gute“ Menschen sind. Das Auto verleihen, so kam es mir vor, wurde zu keiner Zeit von Vermieter oder Mieter als „Dienstleistung“ gesehen, sondern als ein „Einander helfen“.

Kein Carsharing mehr für mich

Leider kann ich mein Auto nicht mehr auf tamyca anbieten. Mit 255.000 Kilometern wird mein Auto vom Versicherungspartner r+v abgelehnt und kann nicht mehr versichert werden. Ab 250.000 Kilometern ist leider Schluss mit Versicherungsschutz. Schade! Wirklich sehr schade! Ich hoffe, dass tamyca hier bald einen Versicherungsschutz aushandeln kann. Bis dahin hat sich das mit dem Auto verleihen für mich wegen fehlender Vollkaskoversicherung erledigt.

Fazit

Carsharing ist cool und macht Spaß. Wie ich bereits geschrieben habe, hatte ich nur freundliche und nette Mieter. Fast jedem, den ich erzählt habe, dass ich mein Auto verleihe, hat mir dafür Anerkennung gezollt. Ich würde mich freuen, wenn noch einige Autobesitzer mehr sich trauen und ihr Auto vermieten. Gerade wenn das Auto als Statussymbol weiter in den Hintergrund rückt und wir Deutschen es nicht mehr so vergöttern, sehe ich da gute Chancen, dass sich Carsharing mehr und mehr durchsetzen wird. In meinen Augen ist das auch zwingend notwendig. Nicht jeder Mensch kann ein Auto besitzen. Das muss er auch nicht. Es reicht, wenn er eines preiswert mieten kann.

Veröffentlicht von

Christopher Piontek

Ich bin ein technikbegeisterter Blogger, nebenberuflich (Fern-)Student der Wirtschaftsinformatik, hauptberuflicher Webentwickler und schreibe auf Bitpage.de gerne Technik-News, Tutorials und Reviews. Meine favorisierten Themen sind #Software, #Internet und digitale Fotografie.

3 Gedanken zu „Carsharing: Meine Erfahrung mit tamyca und dem Verleihen meines Autos“

  1. Das Konzept finde ich interessant und hatte auch schon von Tamyca gehört. Nach dem ich aber gesehen habe, wie die Leute hier in Hamburg mit den „richtigen“ CarSharing Autos umgehen bin ich mir da nicht so sicher. Da ich momentan einen Leasingwagen fahre bin ich da glaube ich sowieso raus, wenn ich das richtig gelesen habe.

  2. Finde die Fensterfolie sehr gelungen! Lob dafür an dieser Stelle, vorallem das Pixelherz ist Top :)
    Vorallem wenn andere dann deine Werbung herum fahren…besser kann es doch nicht sein oder?
    Ich benutze öfter carshareing portale, habe aber von diesem noch garnicht gehört.
    Denke ich werde es mal ausprobieren :)

  3. Vielen Dank für den Beitrag zum Thema Autoverleih. Mein Bruder nutzt Carsharing gerne, wenn er in einer Großstadt unterwegs ist. Gut zu wissen, dass es auch die Möglichkeit gibt, das eigene Auto mit Hilfe von Apps zu verleihen.

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